Ein fetter Kühlerschlund, mandelförmige Scheinwerfer und ein Dachspoiler am Heck. Dazwischen 2,3 Tonnen schweres, britisches Metall. Hochgebockt und robust, wie ein Landadeliger mit Tweed-Anzug und Gummistiefeln, bereit für die Jagd im offenen Gelände. Mit dem DBX verkauft Aston Martin erstmals in seiner 107-jährigen Geschichte ein SUV und folgt damit als vorerst letzter Sportwagenhersteller dem Trend zu immer größeren und immer schwereren Autos.
Dabei bleibt der Innenraum so elegant wie ein britischer Gentlemen’s Club: Dickes, weiches Leder überspannt das Armaturenbrett und streckt sich über die weich gepolsterten Sportsitze. Die Füße nehmen auf einem kuscheligen Teppich Platz, helles Alcantara umrahmt das Panoramadach. Das dicke Lenkrad liegt satt in der Hand wie ein Kricket-Schläger, der V8-Motor knistert im Hintergrund wie ein heimeliges Kaminfeuer. Es riecht nach Luxus.
Größer und schwerer heißt in diesem Fall aber nicht langsamer: Der DBX fährt sich beinahe wie ein Sportwagen. Dank einer sehr direkten Lenkung und eines straff abgestimmten Fahrwerks vergisst man fast auf der Stelle, dass man in einem SUV sitzt. Bei Vollgas sprintet der Brite in 4,5 Sekunden auf Tempo 100 und erreicht nach Herstellerangaben bis zu 291 km/h. Bei einer Probefahrt durch die Umgebung des Testcenters Millbrook im Nordwesten von London schlängelt sich der Wagen trotz des hohen Schwerpunkts leichtfüßig durch enge Kurven. Auch im Gelände, und das ist für Aston Martin neu, bewegt sich das Fahrzeug souverän, klettert lässig steile Hänge hinauf und fährt sie sicher wieder runter, selbst Flussdurchfahrten sind kein Hindernis mehr.
Einen Aston Martin legt man sich normalerweise als Zweit- oder Drittwagen fürs lustvolle Fahren zu, sofern man sich das leisten kann. Der DBX hat dagegen den Anspruch, als Allround-Fahrzeug für die ganze Familie geeignet zu sein. „Mit dem DBX haben wir ein praktisches Alltagsauto entwickelt“, sagt Matt Becker, Chefentwickler bei Aston Martin. „Eines, das zwar sportlich fährt, aber dank seiner vielen Möglichkeiten jeden Tag sehr nützlich sein wird.“ Als erstes Modell der Marke ist der DBX deshalb auch mit einer Anhängerkupplung erhältlich, man könnte damit also sogar in den Campingurlaub fahren.
Das Infotainment ist nicht auf dem neuesten Stand
Aston Martin setzt große Hoffnungen auf den DBX. Das SUV könnte die letzte Rettung für die strauchelnde Traditionsmarke sein, die längst nicht mehr nur von ihrem James-Bond-Image zehren kann. Seit dem Börsengang des Unternehmens vor zwei Jahren ist der Kurs der Aktie steil nach unten gegangen, das Papier wurde zuletzt für deutlich weniger als einen Euro gehandelt. Das Misstrauen der Anleger ist nicht unbegründet: Nachdem Aston Martin im vergangenen Jahr einen Verlust von 63 Millionen Pfund hinnehmen musste, waren es im ersten Halbjahr 2020 schon 200 Millionen Pfund. Pandemie-bedingt ist die Zahl der verkauften Fahrzeuge um fast zwei Drittel eingebrochen.
CEO Andy Palmer musste deshalb kürzlich seinen Hut nehmen, nun soll es der ehemalige AMG-Chef Tobias Moers richten und die Modellpalette auf Vordermann bringen. Moers hat seinen neuen Job am 1. August angetreten und sich bisher nicht zu seinen Plänen geäußert. Dass bei Aston Martin gespart werden muss, macht sich auch an der Ausstattung des DBX bemerkbar. Die Technik ist nicht auf dem neuesten Stand, das Infotainment-System kennt man schon aus der E-Klasse von Mercedes. Bei Daimler wurde es bereits ausgemustert, da es sich nicht über einen Touchscreen bedienen lässt, wie es inzwischen selbst bei Kleinwagen Standard ist, sondern nur über einen Drück-und-Dreh-Regler in der Mittelkonsole. Angesichts solcher Defizite erscheint der Einstiegspreis von 193.500 Euro ambitioniert. Der Wagen ist damit zwar immer noch günstiger als ein Lamborghini Urus, aber deutlich teurer als ein Bentley Bentayga oder ein Range Rover SV.
Die Chancen, dass der Aston Martin DBX ein Erfolg wird, stehen trotzdem nicht schlecht. In wichtigen Märkten wie Russland, China, den USA und dem Mittleren Osten ist der Appetit auf luxuriöse und leistungsstarke SUV ungebrochen, und die Käufer aus diesen Regionen haben sich bislang nicht als übermäßig preissensibel erweisen. Es wäre nicht das erste Mal, dass das 1913 gegründete Unternehmen seinen Kopf aus der Schlinge zieht. Die Firma war im Verlauf der letzten 100 Jahre schon sieben Mal pleite – und es gibt sie immer noch.
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August 17, 2020 at 12:31PM
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Luxus-SUV DBX: Der erste Aston Martin mit Anhängerkupplung - WELT
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